Aufgekommene Fragen...

 
   
     
 
 
     
  Ich wurde gefragt:  
  [...] Ich bin heute durch Zufall auf deine tolle Seite gestoßen, als ich auf der Suche nach guten Methoden war, das Vertrauen meines neuen Pflegepferdes zu gewinnen. Sie scheint mir ein wenig Lea zu ähneln, daher hoffe ich, dass du mir vielleicht ein paar Ratschläge geben kannst, deine bisherigen Antworten in der Kategorie "aufgekommene Fragen" fand ich absolut klasse. Ich werd mal die Situation beschreiben, achtung, das wird wahrscheinlich ein ziemlich langer Text:)
A. ist 13 Jahre alt und hat schon viel schlimmes mitmachen müssen. Ihre jetzige Besitzerin hat sie aus einem verwahrlosten Stall geholt, dessen Besitzer zum Schluss alles, inklusive der Pferde, nur noch zu schnellem Geld machen wollte, entsprechend war auch der Zustand der Pferde. Aisha stand monatelang einsam in einer Box, ohne Einstreu, ohne Gesellschaft, ohne die geringste Pflege, und ohne Licht. Also das abolute Horroprogramm. Davongetragen hat sie neben dicken Fesseln, die auch nie wieder gut werden, und extremer Anfälligkeit für Hufkrankheiten, ein enormes Vertrauensproblem. Das ist natürlich völlig verständlich und ich finde es schon erstaunlich, dass sie sich überhaupt so gut erholt hat - abgesehen von der Sache mit dem Vertrauen ist sie absolut lieb und zuverlässig, lässt sich super nur mit Gewicht/Schenkeln reiten, und und und...
Wenn A. zusammen mit ihrem Kumpel von der Weide geholt wird, hat sie auch absolut kein Problem, mitzugehen. Sie freut sich sogar und ist fleißig bei der Sache, lässt sich auch problemlos reiten. Alleine habe ich jedoch keine Chance bei ihr. Will ich sie aus der Herde holen, so kann ich ihr einfach und von ihrer Seite freiwillig das Halfter anlegen, sie geniesst es total, gekrault zu werden, sie bleibt auch eine Weile bei mir, aber sobald ich sie losführen will, geht der Kopf hoch, die Ohren zurück, und die Beine werden in den Boden gestemmt. Ich kann das nachvollziehen, das ist nicht das Problem (bin auch kein "Hauptsache schnell reiten-Typ"). Schliesslich bin ich für sie noch eine Fremde und könnte sie vielleicht wieder einsam in einen dunklen Raum bringen, wer weiss...ich erwarte acuh garkeine Wunder und weiss, dass es lange dauern wird mit ihr, aber ich bin wirklich unsicher, wie ich es schaffen soll, ihr Vertrauen weiter zu gewinnen.
Bei anderen Pferden würde ich in der beschriebenen Situation schon klarmachen, dass ich das Leittier bin, um dem Pferd die Gelegenheit zu geben, durch meine Konsequenz Mut und Vertrauen zu fassen. Bei A. allerdings weiss ich nicht, ob das der richtige Weg ist. Ich denke, man kann bei einem Pferd, das ein solches Vertrauenproblem hat, mit so einer "Über-Unterordnungs-Siuation", die ja schon eine gewisse Form von sanftem Zwang darstellt, nicht viel bewirken. Ausser, dass sie sich mekt: dieser Mensch zwingt mich, meine sichere Herde zu verlassen. Aber: wenn ich nachgebe, das Halfter wieder abnehme, und sie laufen lasse, erscheine ich in ihren Augen dann nicht auch unsicher und schwach, sodass sie mir garnciht vertrauen kann, weil sie sich in zB Gefahrsituationen bei mir nicht sicher fühlen kann? Ich stecke irgendwie in der Zwickmühle, weil ich nicht weiss, welcher Weg nun der richtige ist.
Ich wollte erstmal viel mit Spzierengehen etc. arbeiten, aber das ist natürlich nciht möglich, wenn sie nichtmal mit mir von der Weide geht. Dass sie sofort mit mir auch ganz vom Hof geht, hab ich nciht erwartet, aber ich dachte, der kurze Weg zum Stall wäre vielleicht schon machbar. Wie kann ich dieser Stute die fürs Vertrauen wichitge Stärke demonstrieren, ohne sie zu ängstigen? Was fördert, und was lässt mich eher als nicht vertrauenswürdigen Schwächling erscheinen? Hast du ein paar Tips oder Ideen, wie ich auf der Weide am Vertrauen arbeiten kann, sodass sie irgendwann den Schritt mit mir aus der Herde wagt? Dazu sagen muss ich noch, dass sie sich allerdings immer selber etwas aus dem Herdenverband abgrenzt, freiwillig, es ist also nicht so, dass sie nun absolut auf die Herde fixiert ist, im Gegenteil, auch wenn diese ihr bestimmt Sicherheit gibt.
Daher kann ich auch nicht ganz deuten, warum sie meine Nähe einerseits schon geniesst, aber keinen einzigen Schrtt mit mir tut...
Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du antworten würdest und mir vielleicht ein wenig helfen kannst.
 
     
  Meine Meinung dazu:  
  [...]

Dass Deine Dir anvertraute Stute A., nach dem was sie durchmachen musste, den Menschen nicht mehr ganz vertraut, ist selbstverständlich. Schön, dass Du das sofort erkannt hast und bereit bist, A. Zeit zu geben. Vertrauen muss uns vom Pferd geschenkt werden, es kann nicht erzwungen werden. Das macht eine solche Situation zu einer großen Wachstumschance für uns Menschen. Ich denke, dass Pferde sich uns Menschen dann freiwillig und vertrauensvoll anschließen, wenn sie merken, dass wir „wir selbst sind" und über Selbstvertrauen und Führungsqualitäten verfügen. Was es für mich bedeutet Vertrauen auszustrahlen und selbstsicher zu sein, kannst Du in meinem Text Dominanz & Co. nachlesen. Zur Selbsterkenntnis und zu persönlichem Wachstum habe ich diesen Übungstext verfasst: Wege zur Selbsterkenntnis und Selbstfindung .


Du fragst, ob Dich Deine Stute als „schwach“ ansieht, wenn Du ihr das Halfter wieder abnimmst. Ich denke nicht! Entschlossenheit ist zwar eine wichtige Führungseigenschaft, allerdings immer mit Bedacht und Verbundenheit gegenüber dem Partner. Entschlossenheit darf nicht in Zwang oder "Stärke demonstrieren" umschlagen. Entschlossenheit kommt aus unserem Inneren und kann nicht "demonstriert" werden, sondern nur "da sein" oder eben nicht "da sein" (siehe auch obige Linkhinweise). In dieser Hinsicht möchte ich Dir raten, auf Dein innerstes Gefühl zu hören (ohne die Angst „schwach“ dazustehen) und dabei A.´s Reaktionen gut zu beobachten.

Du hast ja schon unter Aufgekommene Fragen geschmökert --- dort findest Du einige Beispiele aus dem „Alltag“ mit meinen Pferden, unter anderem auch zu besagtem Thema.

Deine spezielle Situation aus der Ferne zu beurteilen ist nicht leicht für mich. Auf Grund Deiner Beschreibung könnte ich folgendermaßen oder ähnlich vorgehen:

Ich würde so oft wie möglich zu A. auf die Koppel gehen und sie -wenn sie Berührungen genießt- Streicheln, Kraulen, Massieren etc. Mit der Zeit und je nach Laune von A. würde ich ihr das Halfter anziehen, sie ein bisschen in der Herde auf der Weide umherführen, viel Loben für das Mitgehen und ihr dann das Halfter wieder abnehmen. Das kannst Du ruhig mehrmals am Tag machen :-).
In der ersten Zeit würde ich die Herde nicht verlassen, sondern auf der Weide mit A. „arbeiten“. Das mag zwar anfangs unspektakulär erscheinen, diese verbrachte Zeit ist jedoch im Nachhinein „unbezahlbar“. Würdest Du A. gegen ihren Willen von der Weide weg zwingen, würde sie vielleicht, wenn sie Dich kommen sieht, Angst bekommen, jetzt von der Herde getrennt zu werden und sich demnach nicht unbedingt auf Dich freuen … und Freude am gegenseitigen Miteinander ist das Wichtigste an einer Partnerschaft!

Ich bin mir im Klaren darüber, dass meine Ansichten nicht der Meinung der Allgemeinheit entsprechen. Doch ich strebe eine Beziehung mit meinen Pferden an, die auf Freiwilligkeit beruht. JEDER kann das erreichen, Pferde haben ein großes Bedürfnis nach Harmonie und „Gleichklang“ und sie sind meistens sehr kooperativ und offen für Neues.

Vielleicht kannst Du ja auf der Weide in Pferdegesellschaft mit A. Führübungen oder Spiele machen. Umso mehr A. merkt, dass das Zusammensein mit Dir von „Erfolg“ und Spaß geprägt ist, umso freudiger wird sie mit Dir gehen. Selbstverständlich sollte werden, dass Deine Anwesenheit für A. Positives bedeutet… innerhalb der Weide, außerhalb der Weide, beim Führen, beim Reiten, im Stall, sowie in jeder anderen Situation.

In meinem Freundes-/Bekannten- und Brieffreundeskreis waren einige Menschen unzufrieden, weil das Pferd nicht oder nur zögerlich mit ihnen die Herde verlassen wollte. Fast Alle berichten von großen Erfolgen dadurch, dass sie frei von Erwartungen und im Sinne des Pferdes die Begegnungen gestalten.


Ich denke, mit einem Pferd, das derart traumatische Erlebnisse verarbeiten muss wie Deine A., ist Geduld und Mitgefühl das Allerwichtigste. Lass A. Zeit und lobe sie UND Dich für jeden kleinen Fortschritt. Erfreue Dich daran, dass A. Deine Berührungen genießt und sich so wundervoll in Gesellschaft anderer Pferde reiten und führen lässt. Die Bausteine einer guten Partnerschaft werden langsam erarbeitet – Schritt für Schritt :-) und Du bist -so denke ich- auf einem wundervollen Weg MIT dem Pferd.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen viel Erfolg und alles Gute für Dich und Deine Stute.
Gerne würde ich wieder von Euch hören :-).

 
     
     
     
     
     
 
 
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