Aufgekommene Fragen...

 
   
     
 
 
     
  Ich wurde gefragt:  
  [...] ich habe seit ein paar monaten eine Rtb-Traberstute, K.. Komm super mit ihr klar. Man kann mit ihr alles machen vom Wanderritt bis zum Schwimmen. Doch ich denke eins fehlt bei uns: das vertrauen. ich denke sie vertraut mir nicht richtig. sie hatte jahrelang jemand der sich um sie gekümmert hat, diese person war dann plötzlich weg und nun bin ich da..irgendwie kann ich sie verstehen. sie ist sehr sensibel was das reiten und den umgang angeht. meiner meinung nach ist sie sehr intelligent, intelligenter als alle anderen pferde die ich bisher geritten bin. sie lernt sehr schnell und gerne. kannst du mir vll ein paar tipps geben wie ich vertrauen zu ihr aufbauen kann?? [...] ich möchte ihr einfach zeigen, dass sie keine angst haben braucht wenn ich bei ihr bin und dass sie mich als partner sieht und nicht als chef.. [...] ich war mit ihr spazieren, hat ihr super gefallen! sie hatte nur eine longe um den hals. konnte mich sogar draufsetzen, aber lenken ging nicht wirklich ;) [...] wäre sehr glücklich über einen tipp bezüglich Vertrauen.  
     
  Meine Meinung dazu:  
  Ich finde es großartig, dass Deine K. ein so tolles Pferd ist und Ihr Beide so gut miteinander klar kommt. Das Wichtigste hast Du damit schon, nämlich ein Pferd, das den Menschen mit positiven Erlebnissen und sicherer Atmosphäre verbindet. Leider nicht selbstverständlich in der „normalen“ Reiterwelt. Meinen Glückwunsch!

Es ist toll, dass K. so intelligent und sensibel ist - wie Du schon schreibst, solche Pferde lernen erfahrungsgemäß sehr schnell – positiv wie negativ. Deshalb setzt die Sensibilität des Pferdes auch eine entsprechende Einfühlsamkeit und Bewusstheit des Menschen voraus. Du erzählst, dass Du mit K. nur mit einer Longe um den Hals spazieren warst – das ist doch schon ein toller Hinweis darauf, dass K. Dir ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse zuwendet. Das mit dem Lenken ist natürlich eine andere Sache: zuerst muss das zügelunabhängige Reiten durch Gewichtshilfen verfeinert werden, erst dann kann das Pferd verstehen, was der Mensch von ihm möchte.

Zum Vertrauen an sich:
Erst einmal möchte ich wiederholen, dass alles was Du berichtest darauf hinweist, dass K. Dir vertraut. Ihr habt sicherlich eine gute Beziehung zueinander, wenn K. freudig mit Dir überall hingeht. Ich finde das wunderschön und Du kannst sehr stolz darauf sein.
Vertrauen setzt immer eine gewisse Persönlichkeit des Menschen voraus. Pferde schließen sich selbstsicheren Menschen meistens von sich aus gerne an. Ich musste viel an meiner Persönlichkeit „arbeiten“, um ein sicherer, entschlossener und dennoch hingebungsvoller, mitfühlender Mensch zu werden. Dieses Persönlichkeitstraining ist für mich Teil meines Lebensweges, auf dem ich mich ständig weiter bewege. Übungen und Artikel zu Persönlichkeitsentfaltung gibt es viele auf www.zeitzuleben.de und natürlich gibt es dazu diverse Literatur, da könntest Du mal unter www.buch.de gucken. Das Wichtigste daran ist meiner Meinung nach: zu wissen was ich tue und warum ich das tue; stets bewusst zu handeln; mir meiner Sache ganz sicher zu sein; im Einklang mit mir und meinem Gegenüber zu denken und zu handeln.

Aus dieser Bewusstheit der Gedanken und Handlungen ergibt sich eine klare Kommunikation, die unabdingbar ist um das Vertauen des Pferdes zu bekommen. Wir "sprechen" unaufhörlich und meistens unbewusst mit unserem Körper. Jede Körperhaltung, jede Bewegung, jede Mimik ist für das Pferd ein Signal. Überschütten wir das Pferd mit dauernden Signalen ohne jede Bedeutung stumpft das Pferd erstens ab und zweitens kann das Pferd einem solchen Menschen nie wirklich vertrauen. Schließlich weiß das Pferd nie genau, was der Mensch ihm gerade mitteilen möchte oder ob der Mensch gerade überhaupt etwas mitteilt – logischerweise führt so etwas zu Unsicherheit.

Habe ich nun einen soliden Grundstock und dazu reicht anfangs der gute Wille und das aktive Zutun aus, so kann ich mich an verschiedene Herausforderungen mit dem Pferd wagen, die das Vertrauensverhältnis bestärken und festigen. Solche Übungen ersetzen jedoch nicht eine sichere Persönlichkeit des Menschen, diese ist wie gesagt Grundvoraussetzung.

Ich sehe schon mit einem Tipp ist es nicht getan... ist auch nicht wirklich möglich, wenn es um eine so komplexe Sache wie das Vertrauen geht. Vertrauen ist etwas, das langsam wächst und immer wieder aufs Neue bestätigt werden muss.

Wenn ich mir meinen Text nun im nachhinein so durchlese, ist das alles ganz schön „schwere Kost“, ich werde mich mal um solide Ratschläge bemühen:

Mein erster Tipp: Beschäftigung mit sich selbst mit der eigenen Motivation! Handle ich geistig frei im Sinne des Pferdes? Was tue ich und warum? Was möchte ich erreichen? Bin ich wirklich ganz und gar davon überzeugt was ich tue? Wenn nicht, warum nicht? Wie kann ich diese Überzeugung erreichen?
(Hinweis: unter „geistig frei“ verstehe ich unter anderem eine Geisteshaltung, die unabhängig ist von der Meinung und Energie anderer. Das bedeutet z.B. eine „Abfuhr“ des Pferdes nicht persönlich zu nehmen / Frei zu sein von Erwartungshaltungen und niederen Gefühlen (Macht, Jähzorn, usw.) / Spontaneität zu wahren, also nicht an festgefahrenen Glaubenssätzen und Plänen fest zu halten / Flexibel zu sein im Denken und Tun.)

Mein zweiter Tipp: Die eigenen Gefühle und die Körpersprache bewusst wahrnehmen und prüfen , z.B. durch Videoaufnahmen, Fotos und durch Übungen mit anderen Menschen, die einem genau sagen können, wie man wirkt, wie die Körpersprache ankommt.

Mein nächster Tipp: Die „Anforderungen“ auf Dich und das Pferd abstimmen. Unter- sowie Überforderung schadet dem Vertrauen. Beobachte K. während Eurer gemeinsamen Zeit genau: Was macht Ihr besonders Spaß? Ist sie manchmal gelangweilt oder evtl. überfordert? Wie könntest Du sie kreativ fördern? (z.B. Zirzensische Lektionen, Geschicklichkeitsübungen, anspruchsvolle Gymnastik usw.) Welchen Herausforderungen könntet Ihr Euch gemeinsam stellen? (z.B. im Gelände eine Brücke, ein Bach usw./ in der Reitbahn eine Plane, ein Klappersack, ein Flattervorhang, Stangen, usw.) Jede Übung, die dem Pferd gefällt und an der es ein Stück weit „wachsen“ kann stärkt die Bindung des Pferdes zu dem Menschen.

Und noch ein letzter Tipp: das Vertrauen des Pferdes (möglichst) nicht enttäuschen. Wir sind alle „nur“ Menschen und es passiert jedem, dass man mal nicht so handelt wie man gerne gehandelt hätte. In einem solchen Fall denke ich genau über mein Handeln nach und mache mir Gedanken darüber, warum ich so gehandelt habe (evtl. fehlendes Selbstvertrauen, Unsicherheit, Stress, Zorn). Dann überlege ich wie ich richtig gehandelt hätte und verinnerliche mir diese Vorstellung mittels eines geistigen „Filmes“. Das klappt nach etwas Übung richtig gut! Pferde sind Meister darin, zu verzeihen von ihnen möchte ich in dieser Hinsicht noch viel lernen. Man muss auch sich selbst verzeihen können um geistig frei zu werden.
Was ich in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig finde ist, das Pferd vor stressbedingten Situationen zu schützen: z.B. sollte es niemandem erlaubt sein, das Pferd grob zu behandeln oder anzuschreien (damit meine ich Personen wie Stallmeister, Hufschmied, usw.). Die Verantwortung, die wir für das Lebewesen Pferd haben erstreckt sich über unser eigenes Handeln hinaus, wir sind verantwortlich dafür, dass niemand unsere Pferde in eine vertrauensschädigende Lage bringt.

Ich hoffe, ich habe Dich mit meiner langen „Rede“ nicht überrumpelt. Doch wie gesagt: Vertrauen ist etwas sehr komplexes, mit einem „Tipp am Rande“ ist es nicht getan. Vertrauen gewinnen und erhalten ist ein stetiger Prozess. Und es lohnt sich: es gibt für mich kein schöneres Gefühl auf dieser Welt als das grenzenlose Vertrauen in meine Pferde und meiner Pferde zu mir.

 
     
 
 
   Charakterstarke Pferdepersönlichkei...
 Vertrauen...