Aufgekommene Fragen...

 
   
     
 
 
     
  Ich wurde gefragt:  
  [...] ich versuch es mir grade vorzustellen, vielleicht passt es einfach so gar nicht in mein bild rein dass ich zur zeit habe, aber ich kann doch nicht sagen wir mal mit einer vorhandwendung anfangen, das pferd weiß was ich will, hat grad aber keine lust drauf und dann sagt man einfach, ja gut, wenn du grad nich willst denn machs doch nicht? Kann das nicht bei einigen pferden einfach dazu führen, dass sie gar nich mehr machen? Klar, du wirst jetzt sicherlich schreiben, dass die pferde spaß daran haben mit dem menschen was zu erarbeiten und auszuprobieren und zu üben.. aber das ist doch nur der idealfall. Den du ja hast, aber war der ganze weg dorthin lediglich so geprägt? Ich muss grad grinsen, einfach weil ich versuch es in meinen Kopf zu bekommen und mir vorzustellen. :) Ich habe selbst einen Reitlehrer, der seit Jahrzehnten an sich arbeitet, immer wieder neue ideen hat, ausprobiert, neues einfließen lässt und jeden monat wieder die gruppen zusammenruft und seine neusten sachen die er sich so überlegt hat den andren mitteilt und die probieren wir dann.. ist sehr interessant, na jedenfalls mein ich mich zu erinnern, dass er mal erzählte, er habe es eine weile auch mal so versucht, ganz ohne das "durchsetzten" oder wie auch immer ich es jetzt mal nenne, hoffe du weißt was ich meine. Auf jedenfall hat es dauerhaft nicht zu seiner Zufriedenheit geklappt, so dass es im moment so aussieht, dass man sich durchaus auch beim reiten mal durchsetzt.. sagen wir mal als beispiel das anreiten, man schnalzt, wartet auf die reaktion, kommt nichts legt man die gerte an, geht das pferd nich tickert man und geht es immer noch nicht zwickt man einmal. Was ist mit sowas... genau das gleiche am boden, deine pferde haben deine körpersignale ja auch erst gelernt, wie war denn das am anfang, wo ihr damit gestartet seit? wenn ich sowas mit einem pferd übe dann stelle ich mich z.b. daneben, zeige mit der gerte aufs hinterbein, lege sie daran und wenn das pferd nicht reagiert, dann erklär ich es ihm.. indem ich das bein anticke bis das pferd es zur seite nimmt. Warum ich das jetzt schreibe, ist einfach nur, weil ich mich frag wie du das gemacht hast.  
     
  Meine Meinung dazu:  
  Diesen Abschnitt Deiner Fragen möchte ich zusammenfassend in Erfahrungsberichten beantworten (ich bin ein bisschen durcheinander, denn diese Fragen sind alles andere als eindeutig – ich möchte mich dennoch bemühen, klar darzustellen was ich dazu denke. Sollte etwas unklar bleiben, bitte frag nocheinmal nach!), bzw. teilweise sind die Antworten auf verschiedene Fragen bereits von mir erläutert worden (Hinweis: siehe Themen "Vorbelastete und traumatisierte Pferde" sowie "Charakterstarke Pferdepersönlichkeiten").

Den „Idealfall“ gibt es nicht, was ich über Pferde weiß ist ein Sandkorn, was es zu wissen gibt eine ganze Wüste voller Sandkörner. Ich bilde mich ständig weiter, ich möchte noch so viel lernen. Mein Weg mit Pferden ist –nach anfänglichen Fehlversuchen und meinen Erkenntnissen daraus- geprägt von positiver Ausstrahlung, von Lebensfreude und gemeinsamen Wachstum. Um es mit meinen Worten auszudrücken: Ich stehe immer am Anfang, ich trainiere mit meinen Pferden ständig neue Übungen ein, ich selbst lerne ständig Neues. Du kannst etliche Übungen von Anfang bis Ende in meiner Bildergalerie ansehen. Am Anfang steht die positive Verstärkung und am Ende auch – wobei es für mich ohnehin keine perfekte Lektion gibt.
Tatsächlich stoße ich immer wieder auf Schwierigkeiten dem „normalen Reitervolk“ meine Meinung nahe zu bringen, weil sich viele nicht wirklich ein Miteinander mit Pferden vorstellen können. Vorab ist es nötig, sich von allen „Ranghöher-Rangniedriger“ – Vorurteilen zu befreien. Erst wem das gelingt, der ist bereit, die wahre Gemeinsamkeit zwischen Mensch und Tier zu spüren.
Du fragst, wie Du Dir das vorstellen kannst: ich habe so viele Bilder auf meiner Seite… sprechen diese Bilder nicht für sich? Falls nicht, kannst Du mit den zugehörigen Texten nichts anfangen? Ich würde Dich gerne auf einen Besuch einladen, wenn Du magst. Es fällt mir schwer, diese Dinge in Worten zu beschreiben, es steckt viel zu viel Spontaneität und Gefühl dahinter. Auch Durchsetzungsvermögen gehört dazu, aber eben im Sinne des Pferdes und mit geduldiger Beharrlichkeit anstatt mit Druck. Ich persönlich versuche immer auf meine Pferde zu hören und ihre Meinung zu akzeptieren. Grenzen setze ich dann, wenn ich mich angegriffen oder bedrängt fühle (z.B. durch plumpe Annäherung, Schubsen, usw. und zwar im Vorfeld durch aufmerksames Beobachten der Situation) oder wenn es das Umfeld (z.B. Straße usw.) nicht anders zulässt oder wenn es um die Sicherheit von Mensch und Tier geht. Ansonsten versuche ich immer die Meinung des Pferdes zu akzeptieren und mich danach zu richten. Mittlerweile drängen meine Pferde voller Vorfreude förmlich zur "Arbeit", obwohl sie in einem Offenstall leben. Dieses Gefühl würde ich so ähnlich beschreiben, wenn wir Menschen uns auf Sport oder einen Ausflug, eine Wanderung freuen. Genauso freuen sich meine Pferde auf unsere „Gymnastik- und Sportzeiten“ und auf unsere gemeinsamen Ausflüge. Wenn jedoch eines meiner Pferde einen schlechten Tag hat und heute keine Lust hat, etwas zu unternehmen, so lasse ich es bleiben. Meine Pferde haben das Recht auf ihre Meinung und ich versuche diese größtmöglich zu achten. Ich möchte ein paar praktische Beispiele erzählen:

- z.B. Es ist sonniges Wetter, ich möchte ausreiten. Als ich in den Stall komme, sehe ich, meine Pferdchen aalen sich dösend in der Sonne und haben sichtlich keine Lust auf Spaziergang oder „Körperertüchtigung“... wenn es mir nicht gelingt durch positive Aufmunterung meine Pferde in Spazierlaune zu bringen, lasse ich den Ausritt sausen. Setz ich mich halt auch gemütlich in die Sonne.

- z.B. Ich habe eine statische Übung im Programm, welche geduldiges Stehen und langsame Bewegungen erfordert. Mein Pferd ist heute aber sehr übermütig und lauffreudig. Dann verschiebe ich diese Übung auf einen anderen Tag und plane für heute Lektionen und Spiele, die der Laune und dem Übermut des Pferdes gerecht werden.

- z.B. Mein Pferd möchte an einem "Ungeheuer" nicht vorbeigehen. Ich bleibe ganz ruhig und geduldig und führe das Pferd immer wieder durch aufmunterndes Zureden (nicht durch beruhigendes Gesäusel) an das Ungeheuer heran. Für jeden Schritt wird das Pferd belohnt. Geht das Pferd einige Schritte zurück oder weicht aus, so gebe ich ihm Raum bis es bereit ist, sich wieder etwas an das „Ungeheuer“ anzunähern. Nach einiger oder auch nach längerer Zeit geht das Pferd am Ungeheuer vorbei. Egal wie lange es dauert, das Pferd hat Zeit so viel es will, ich dränge nicht, doch ich bleibe beharrlich bis das Pferd sich entscheidet, sich an dem vermeintlichen Ungeheuer vorbeizuwagen. Durch diese Art, das Pferd entscheiden zu lassen wann es bereit ist sich einer vermeintlichen Gefahr zu nähern und durch mich als Partner Unterstützung und Beistand erhält, wird das Pferd sicherer und vertrauter, es wird demnach in Zukunft viel selbstsicherer an jede Herausforderung herantreten.

-z.B. Das Pferd möchte im Gelände einen anderen Weg einschlagen als ich, weil es z.B. lieber nach Hause gehen möchte. Als erstes nehme ich wahr, dass das Pferd sich unwohl fühlt, entweder, es fühlt sich unsicher, weil es mir (noch) nicht vollends vertraut oder es hat keine Lust mehr eine größere Runde zu gehen oder es geht ihm vielleicht gerade nicht so gut. Würde ich mich gegen den Willen des Pferdes durchsetzen meinen Weg zu gehen, wäre das Ergebnis ein gebrochener Wille und eine von mir nicht beachtete Meinung des Pferdes – das würde ich nicht tun, weil ich es nicht mit meinem Gefühl vereinbaren könnte. Smokey tendierte anfangs oft Richtung Heimat, ich habe dann viele Pausen gemacht und ihn unterwegs grasen lassen und versucht ihm durch abwechslungsreiche Aufgaben Spaß und Freude zu vermitteln. Was mir auch mit der Zeit gelang.
Zeigt mir ein Pferd unterwegs vehement, dass es keine Lust mehr hat – gehe ich mit ihm nach Hause. Ich versuche zwar, das Pferd von meiner „Sache“ zu überzeugen, aber immer mit Respekt vor der Meinung des Pferdes, der ich auch nachgebe, wenn ich durch positive Bestärkung nicht weiter komme. Werden Pferde sinnvoll an Ausritte mit ihren Bezugspersonen „gewöhnt“ und bereiten ihnen die Ausritte Freude, so kommt man meistens mit positiver Bestärkung weiter. Pferde, die an Wegkreuzungen aus verschiedenen Gründen widersetzlich werden, gehören meiner Meinung nach, von Anfang an neu „behandelt“, also zurück zu den Basisübungen - anfangs mit Bodenarbeit und Vertrauensübungen, erst später mit Ausritten ins Gelände.

- z.B. Ich gehe auf die Koppel. Oft kommen mir meine Pferde freudig entgegen gelaufen. Ist das nicht der Fall, so rufe ich sie. Erhalte ich dann nur einen Blick, der mir sagt, „das Gras schmeckt gerade so gut.“ ... dann lasse ich meine Pferde in Ruhe und versuche es evtl. später noch einmal.

- z.B. Ich reite eine viel befahrene Straße entlang, das Pferd tendiert immer in Richtung Straßenmitte. Beharrlich halte ich das Pferd auf der rechten Straßenseite und lobe es für die Ausführung meiner Vorgaben – nicht weil ich zeigen möchte, dass ich zu Sagen habe, wo wir lang laufen, - sondern weil es die Sicherheit in unserer von Menschen geprägten Zivilisation erfordert. Ich habe schon vielfach erwähnt, dass die innere Absicht des Menschen zählt. Pferde spüren das Gefühl, welches hinter den Handlungen steht. In einer guten Mensch-Pferd-Beziehung merken die Pferde, wenn man es „gut mit ihnen meint“. Deshalb brauchen solche Pferde auch bei unangenehmen Dingen (z.B. Tierarztbesuch u.ä.) nicht angebunden werden – sie wissen, „ihr Mensch“ tut ihnen nur Gutes, auch wenn es in der Momentaufnahme unangenehm erscheint.

Das sind „nur“ Beispiele, keine Richtlinien. Wie ich genau in einer entsprechenden Situation mit dem individuellen Pferd reagieren würde, würde ich spontan entscheiden.

Zu meiner Einstellung bezüglich der oben genannten Beispiele:
Mein persönliches "Wollen" stelle ich niemals über die Meinungsfreiheit des Pferdes. Für mich hat jedes Lebewesen dieser Welt die gleichen Rechte! Geht es aber um grundsätzliche Dinge, die im Gefangenenleben unserer Tiere nötig sind, so bin ich geduldig und mache den Pferden die Sache so angenehm wie möglich. Niemals möchte ich meinen Pferden das Gefühl geben, das Zusammensein mit mir wäre unangenehm, langweilig, überfordernd oder unsicher - so hätte ich keinen Spaß und die Pferde wohl auch nicht. Deshalb steht für mich die gemeinsame Freude am Tun im Vordergrund - das bedeutet für mich wirklich "Erfolg" für beide Seiten… für mich und die Pferde. Alles was Pferde ausführen nur um der geforderten Sache wegen ohne Freude und Selbstständigkeit, ohne Eigeninitiative und ohne die eigene Meinung zeigen zu dürfen, bereitet mir keinen Spaß. Wer nicht bereit ist, auf die Gefühle und Meinungen des Gegenübers einzugehen, sollte sich vielleicht einer Freizeitbeschäftigung ohne Lebewesen zuwenden.


Zu Deiner Frage der Umsetzung von Lektionen bzw. Deines genannten Beispiels der Vorhandwendung. Die Vorhandwendung ist gymnastisch für den Bewegungsablauf des Pferdes nicht förderlich, da man stets bestrebt sein sollte, das Körpergewicht des Pferdes auf die flexiblere Hinterhand zu lagern, bzw. dem Pferd diese Gewichtsverlagerung nahe zu legen. Deshalb nehme ich zur Beschreibung eine andere sinnvollere Übung z.B. die Hinterhandwendung: Die Hinterhandwendung stellt eine Übung dar, zu welcher das Pferd erst einmal sein Körpergewicht in den hinterer Körperbereich verlagern muss. Das Pferd sollte also vorher das Rückwärtsgehen mit entsprechendem Körpergefühl gelernt haben. In der Natur belastet das Pferd im Stand zu mehr als 50% die Vorderbeine - die Hinterhand wird nur im Spiel und Kampf als kraftvoll federnder "Motor" genutzt. Somit erscheint das Verlagern des Gewichtes nach hinten, was ja Muskelkraft erfordert, erst einmal unnatürlich. Ich habe damit angefangen, nach ein paar Rückwärtsschritten, das Pferd an der Hinterhand zu berühren (mit meinen Händen oder mit streichenden Berührungen der Gerte), um ein intensives Körpergefühl in diesem Bereich zu erreichen. Spürt das Pferd aufmerksam nach hinten in seinen Körper, so bitte ich es durch ein Handzeichen meinerseits (meine Stehposition ist ca. auf Schulterhöhe in einigem Abstand) zum Weichen der Vorderbeine, unterstützt werden kann dieses Handzeichen –wenn nötig- durch eine Berührung. Setzt das Pferd auch nur ein Vorderbein zur Seite wird gelobt, evtl. mit Leckerli. Nach diesem Seitwärtsschritt der Vorderbeine, gehe ich wieder zur Hinterhand und berühre das Pferd wieder dort. Das Pferd merkt dadurch, dass es mir um die Hinterbeine geht. So kann man die Übung aufbauen, das kann Tage und Wochen dauern. Anfangs wird das Pferd, wenn man es zu mehreren Schritten mit den Vorderbeinen auffordert hinten leicht wegtreten. Dazu habe ich meinen verlängerten Arm (Gerte) und berühre, während ich vorne die Handzeichen gebe, damit die Hinterbeine und die Kruppe des Pferdes. Somit vergisst das Pferd nicht, dass es ja um den "Motor" in den Hinterbeinen geht. Nach einiger Zeit haben meine Pferde daran so viel Freude - durch dieses intensive Fühlen erfahren die Pferde ein neues Körpergefühl. Sie werden wendig und schnell, das macht ihnen Spaß, fördert das Körperbewusstsein und stärkt das Selbstvertrauen. Ich lerne meinen Pferden alle Übungen durch "positive Verstärkung", das heißt ich belohne jede (anfangs auch zufällig) richtige Bewegung und ignoriere das nicht richtige. Falsch gibt es nicht, wenn sich das Pferd sehr bemüht, es aber einfach nicht klappt, gebe ich trotzdem ein Leckerli und ein dickes Lob. Ich freue mich über jede Mitarbeit des Pferdes, darum geht es... nicht um die "perfekte" Lektion. Mein Smokey hat mittlerweile so viel Spaß an der Hinterhandwendung, dass er auf mein kleinstes Handzeichen davonsaust, da habe ich Schwierigkeiten mitzuhalten, dazu beugt er kraftvoll die Hanken, was eine sehr gute Gymnastik ist. Lea macht die Hinterhandwendungen eher überlegt und kraftvoll, so dient die Übung auch der Aktivierung der Hinterhand und gleichzeitig dem intensiven Hineinfühlen in den eigenen Körper.


Zu den Hilfsmitteln: Als Hilfsmittel verwende ich hauptsächlich die Gerte. Diese benutze ich nur als Hilfe, um das Pferd zu berühren und sein Körperbewusstsein in diesen Bereich zu lenken. Niemals verwende ich die Gerte, um das Pferd zu „mahnen“. Die Gerte dient mir lediglich als verlängerter Arm, um alle Körperbereiche des Pferdes erreichen zu können. Ich verstehe das Wort „Hilfsmittel“ und „Hilfen“ wörtlich: ich helfe dem Pferd in eine gewisse, für das Pferd angenehme und förderliche Körperhaltung und Bewegung zu gelangen. Im Übrigen ist das ganz natürlich, in Wildpferdeherden werden die Jungtiere auch von älteren Pferden und dem Leithengst gymnastiziert. Wenn ich mein Pferd also mit der Gerte berühre, so erwartet das Pferd keinesfalls Strafe oder sieht eine Mahnung meinerseits, sondern fühlt bewusst in diesen Körperbereich und versucht mit diesem Gefühl und meiner Körpersprache eine gewisse Bewegung bzw. Bewegungsfolge auszuführen.

 
     
  Smokey voller Aufmerksamkeit und Konzentration völlig frei mit mir rückwärts im Slalom um zwei Tonnen.  
     
     
     
     
     
     
     
  Dieses Bild zeigt meine Lea wie sie mir spielerisch zeigt, dass sie heute lieber Toben möchte als sich auf eine ruhige Übung zu konzentrieren. Gerade war ich am Vorbereiten, da steigt Lea spielerisch (man beachte nur ihre keck gespitzen Lippen) neben mir hoch, um mir zu zeigen, dass sie gerade voller Übermut und Bewegungsfreude steckt. Das respektiere ich und wir machen kurzerhand eine andere Aufgabe als die eigentlich Gedachte.  
     
 
 
   Recht auf Meinungsäußerung au...
 Freude am gegenseitigen Miteinander...