[...] Ich lese gerade das Buch Pferdegymnastik von Sadko G. Solinski.Da du das Buch ja bestimmt auch schon gelesen hast (?) wollte ich dich mal was dazu fragen.Es hat mich zB ein wenig gewundert, wie negativ er sich gegenüber dem Dressurreiten geäußert hat. Bis jetzt habe ich mein Pferd nämlich nach der Skala der Ausbildung ausgebildet und auch dehmentsprechend Reitunterricht bekommen (ich reite mein Pferd im Moment aber viel in Dehnungshaltung und arbeite an der Losgelassenheit,da sie früher schlechte Erfahrungen gemacht hat und Rückenprobleme hatte. Sobald ich antrabe hat sie deshalb oft noch Angst).Die meinung von S.G.Solinski hat mich dann aber noch zum Nachdenken gebracht.Vor allem, dass er so gar nichts von Dehnungshaltung und dem Entlastungssitz hält.Ich finde aber, dass sehr viele gute Ansätze in dem Buch sind, vor allem das ,,von hinten nach vorne-Denken´´.Mich würde interessieren, wie du darüber denkst und was du aus dem Buch in deine Arbeit mit einbeziehst, sowohl vom Boden (zB. die Sache mit den Geraden aus dem Nabel),als auch beim Reiten (zB. das abgekippte Becken und die geöffneten Schenkel).Vielleicht lassen sich die beiden ,,Methoden´´ ja mit einander verbinden. [...]
Meine Meinung dazu:
[...] Die Werke von Sadko G. Solinski habe ich mehr als nur einmal gelesen ;-). SGS ist für mich in vielerlei Hinsicht ein Vorbild. Ich teile allerdings nicht alle seine Ansichten, da ich diese zum Teil als engstirnig und nicht genügend durchdacht empfinde.
Es ist sehr traurig, dass SGS so früh verstorben ist. Ich hätte ihn gerne bei einem Kurs persönlich kennen gelernt um ihm Fragen zu stellen und von ihm zu lernen. Leider gibt es keine „Nachfolger“, die seine Lehre weiter geben. Das letzte Buch von ihm „Pferdegymnastik“ ist somit sein Vermächtnis.
Übrigens kann man gut nachvollziehen, welche Entwicklung sich über die Jahre bei SGS vollzogen hat, wenn man alle seine Bücher liest. Besonders interessant finde ich u.a. „Das ABC des Freizeitreitens“, denn dort hinterleuchtet SGS die Ursprünge der Berber-Reiterei, was sehr interessant ist.
Ich denke, es gibt mehrere Wege Pferde sinnvoll und pferdegemäß zu gymnastizieren.
Der von SGS vorgeschlagene Weg ist einer davon. Die Gymnastizierung des Pferdes gemäß der Ausbildungsskala -sofern diese RICHTIG verstanden und umgesetzt wird!- ist ein weiterer Weg. Und es gibt noch mehrere andere Wege ein Pferd sinnvoll, pferdegemäß und mit Freude zu Gymnastizieren.
Dehnungshaltung und Entlastungssitz sind meiner Meinung nach sinnvoll, wenn Beides richtig angewendet wird, wenn also das Pferd nicht auf die Vorderhand kommt, sondern weiterhin von hinten nach vorne geritten wird und der Reiter sich im Einklang mit dem Schwerpunkt des Pferdes befindet.
Mit der „Geraden aus dem Nabel“ ist meiner Ansicht nach nichts anderes gemeint als unser Energiezentrum der Solarplexus. Dieses Energiezentrum wirkt in vielfältiger Weise je nach Körperposition (egal ob das dem Menschen bewusst ist oder nicht). Deshalb ist das Einbeziehen der Körperhaltung/Körpersprache/Position in die Bodenarbeit ja auch so grundlegend wichtig.
Die richtige Haltung des Beckens ist meiner Meinung nach unerlässlich für den fühlenden, mitgehenden Sitz und eine feine Hilfengebung. Das Becken muss frei nach allen Seiten mit den Bewegungen des Pferdes schwingen können. Damit das Becken frei und beweglich ist, muss es locker, entspannt und ganz natürlich abgekippt sein (der Reiter sollte also „einfach“ ganz normal und krampflos in natürlicher Aufrichtung auf seinem Hintern sitzen ;-)). Das Becken komplett und unnatürlich abzukippen halte ich nicht für sinnvoll, da dadurch die Beweglichkeit des gesamten Körpers eingeschränkt wird. Buchempfehlung: Eckart Meyners "Das Bewegungsgefühl des Reiters".
Die leicht geöffneten Knie halte ich durchaus für sinnvoll. Nur so ist ein losgelassener, natürlicher Sitz möglich und die Ober- und Unterschenkel bleiben beweglich und frei für sanfte Hilfen.
Inwieweit man die eine „Lehre“ mit der anderen „Lehre“ vereinbaren kann oder soll, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich höre da auf mein Gefühl in der jeweiligen Situation mit dem entsprechenden Pferd. Sowieso gehöre ich keiner „Methode“ oder „Lehre“ an, sondern hole mir immer und überall gerne Anregungen, um diese dann je nach meiner Erfahrung und nach meinem Gefühl anzuwenden oder nicht. Es ist für mich sehr wichtig, geistig frei zu bleiben, um immer wieder neue Anregungen zu bekommen und dazu zu lernen.
Meine Meinung ist also nur ein momentaner Stand meiner Erfahrungen und Ansichten. Mit sämtlichen neuen Erlebnissen und Erkenntnissen kann sich diese Meinung ändern oder bestätigen.
Was ich Dir in Sachen fühlender Reitersitz und feine Hilfengebung zur sinnvollen Gymnastizierung von Pferden ans Herz legen möchte, sind die Bücher von Sally Swift „Reiten aus der Körpermitte“. Sicherlich findest Du in Sally Swift´s Beschreibungen und Übungen viele Anregungen zu einem gelösten Reitersitz und pferdegemäßer Gymnastizierung.
Ich wünsche Dir alles Gute und weiterhin so viele tiefgründige Gedanken :-). Kelly